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Hans von Hinwil

Hans von Hinwil

männlich 1498 - 1544  (46 Jahre)

Angaben zur Person    |    Medien    |    Notizen    |    Quellen    |    Alles

  • Name Hans von Hinwil 
    • Gerichtsherr zu Elgg, gab 1516 sein Zürcher Burgerrecht auf und erwarb dasjenige von Winterthur, Hofmeister des Abtes von St. Gallen 1543, schrieb eine Geschichte des Kappelerkrieges und ein Familienbuch. [1]
    Geburt 20 Jan 1498 
    Geschlecht männlich 
    Tod 20 Apr 1544 
    Personen-Kennung I11384  Reise in die Geschichte / Journey into the history / Voyage dans l'histoire
    Zuletzt bearbeitet am 4 Jul 2019 

    Vater Jörg (Georg) von Hinwil 
    Mutter Madlen (Magdalena) von Rotenstein 
    Familien-Kennung F5612  Familienblatt  |  Familientafel

    Familie Beatrix von Hohenlandenberg 
    Eheschließung 15 Jan 1523 
    Kinder 
     1. Hans Jörg von Hinwil
     2. Hans Ulrich von Hinwil
    +3. Barbara von Hinwil   gest. 1582
    Familien-Kennung F5614  Familienblatt  |  Familientafel
    Zuletzt bearbeitet am 10 Jul 2018 

  • Fotos Mittelalter
    Hans von Hinwil
    Hans von Hinwil
    Vermutlich in Zusammenhang mit dem Familienbuch, heute aber an unterschiedlichen Orten aufbewahrt, enstanden die Ahnenproben von Hans von Hinwil und dessen Frau Beatrix von Hohenlandenberg, wobei jeweils die 16 adligen Vorfahren väterlicher- und mütterlicherweise mit Wappen vorgestellt werden.
    (aus Zeitschrift des Schweizerischen Burgenvereins, Band 19, Jahr 2014)

    Wappen, Siegel, Münzen
    Hinwil - Wappen
    Hinwil - Wappen
    Wappen der Herren von Hinwil.
    Scheibler'sches Wappenbuch, älterer Teil; Seite 117

    (Bild: Wikipedia)

  • Notizen 

    • Zitat aus: http://www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D18231.php

      Hinwil, Hans von
      geboren 20.1.1498 Elgg, gestorben 20.6.1544 St. Gallen, von Zürich, ab 1516 von Winterthur (Aufgabe des Zürcher Bürgerrechts). Sohn des Georg, Söldnerführers, und der Magdalena von Rotenstein. ∞ 1523 Beatrix von Hohenlandenberg, Tochter des Ulrich. Schulen bei Vadian in Wien und bei Glarean in Basel. Herr zu Elgg. Vogt des Bf. von Konstanz 1527 in Güttingen und 1530 in Meersburg. 1543 Landshofmeister der Abtei St. Gallen und oberster Forstmeister des Stifts in Konstanz. H., der beim alten Glauben blieb, nahm mit den Winterthurer Truppen auf der Seite Zürichs am Kappelerkrieg teil. Er war ein bedeutender Mittelsmann zwischen der Eigenossenschaft und Ks. Karl V.

      Werke
      – «Ber. über den Kappelerkrieg», in ZSK 1, 1907, 161-182
      Autorin/Autor: Martin Lassner

    • Zitat aus: https://www.e-periodica.ch/cntmng?pid=mit-003:2014:19::143

      Im Zeichen adliger Identitätsfindung?

      Das Familienbuch des Hans von Hinwil von 1541
      von Peter Niederhäuser

      «Und damit unnser Kind ire Anen und der Schild und Helm, wie die sein sollen, hinach ain Wissen haben, hab ich wie sy nachainandr gand, gemalt im Martzen im 1541 Jar» - damit seine Kinder ihre Vorfahren und Wappen kennen, habe er im März 1541 dieses Buch verfasst. Mehr beiläufig und zwischen den Zeilen rechtfertigte Hans von Hinwil, Schlossherr zu Elgg, seine Tätigkeit, die künstlerisch, wappenkundlich, genealogisch und historisch gleichermassen von Bedeutung ist. Sein knapp 60-seitiges Werk auf Pergament umfasst eine allgemeine familiengeschichtliche Einleitung und eine mit ergänzenden Bemerkungen versehene Darstellung der Wappen von Familienangehörigen. Das «Familienbuch», wie es mehr oder weniger zutreffend bezeichnet wird, enthält zwar Wappen und Familiengeschichte, ohne sich jedoch unbedingt in das Genre der Haus- und Familienbücher einzureihen, die sich ab dem Spätmittelalter von städtischen Führungsgruppen ausgehend immer stärker zu verbreiten begannen und kaufmännische, politische und lebensgeschichtliche Informationen versammelten. Das Hinwiler Familienbuch erzählt keine autobiografisch angelegte Familiengeschichte, sondern verknüpft das fragmentarische «Wissen» um die Familie mit den weitgehend chronologisch gruppierten Wappen der Vorfahren und nähert sich so den spätmittelalterlichen Wappen- und Turnierbüchern an. Das ungewöhnliche, bis heute im Besitz der Nachkommen der Herren von Hinwil befindliche Schriftstück kann mit dem weit bekannteren Familienbuch der Herren von Eptingen oder dem Hausbuch der Herren von Hallwyl, ein Werk des Neffen der Frau von Hans von Hinwil, verglichen werden, steht aber in seiner Art innerhalb der Ostschweiz weitgehend alleine als Beispiel für adlige Traditionsbildung in Wort und Bild. Es lohnt sich deshalb, diese besondere, bisher kaum ausgewertete Quelle zur Adelsgeschichte mit Blick auf die Selbstdarstellung eines Geschlechtes etwas genauer anzuschauen, nach dem Umfeld und den Hintergründen dieses Werkes zu suchen und nach seinem Stellenwert für die Ostschweizer Adelsgeschichte zu fragen.

      Ein adliger Gelehrter? Hans von Hinwil

      «Das Buoch hat Hanns von Hynweil gemacht im Merzen von Christi Geburt gezelt 1541 jar», beginnt in Grossbuchstaben das Familienbuch. Die Angaben von Autor und Zeitpunkt der Niederschrift sind allerdings mit Vorsicht zu gemessen, verweisen doch einzelne Einträge auf spätere Ereignisse, etwa auf die Geburt des Sohnes Stoffel an Allerheiligen 1541 oder auf den Tod des Vaters von Hans 1545, und listen die Wappen auch von Eheverbindungen auf (Westerstetten, Bernhausen), die lange nach dem vergleichsweise frühen Tod von Hans von Hinwil 1544 erfolgt sein müssen. Ob Hans von Hinwil tatsächlich Autor des Familienbuches war oder ob nicht ein Nachkomme auf der Grundlage seiner Notizen oder einer Vorlage dieses Werk geschaffen hat, muss offenbleiben. Unbestritten sind jedoch Gewicht und Einfluss eines Junkers, der zu den ungewöhnlichsten Adligen der damaligen Ostschweiz zählte.
      1498 geboren als Sohn von Jörg von Hinwil und Magdalena von Rotenstein, wuchs Hans mit zahlreichen Geschwistern auf dem väterlichen Schloss in Elgg auf. Die aus dem Zürcher Oberland stammenden Herren von Hinwil hatten 1442 für die ansehnliche Summe von 2105 Gulden die Herrschaft Elgg als habsburgisches Pfand übernehmen können. Die stattliche Herrschaft umfasste neben dem Schloss und dem Städtchen ein hügliges Hinterland mit zahlreichen kleineren Siedlungen und lag in der Grafschaft Kyburg, unmittelbar an der Grenze zum Thurgau. Diese Randlage brachte Elgg einen vergleichsweise grossen Spielraum, denn trotz der Intensivierung seiner Hoheitsrechte musste Zürich die Autonomie der adligen Herrschaft anerkennen. Kamen die Herren von Hinwil in ihrem «Stammgebiet» im Zürcher Oberland gegen 1500 unter solchen wirtschaftlichen Druck, dass sie schliesslich ihren dortigen Besitz um die Burg Greifenberg ob Bäretswil liquidierten, gelang ihnen in Elgg die Konsolidierung. Wie andere Ostschweizer Adlige auch fanden sie mit der Verwaltung ihrer Gerichtsherrschaft, mit Sold- sowie mit dem Dienst vor allem bei geistlichen Herren ein Auskommen, das sowohl den adligen Status wahrte wie den Kontakt zu süddeutschen Geschlechtern gewährleistete. Die Heirat von Jörg mit der oberschwäbischen Adligen Magdalena von Rotenstein verweist auf das Beziehungsnetz der Familie, das den Hinwilern 1528 die Herrschaft Humprechtsried bei Ravensburg als mütterliches Erbe einbrachte.
      Dieses neue sozialgesellschaftliche Umfeld prägte Hans von Hinwil: Er besuchte die Universitäten in Wien und Basel, wo er sich zweifellos eine solide Grundausbildung erwarb und Gelehrte wie Vadian oder Glarean kennen und schätzen lernte. Rund 25-jährig heiratete er 1523 mit Beatrix von Hohenlandenberg die Tochter des verstorbenen Schlossherrn zu Hegi bei Winterthur, Schwägerin des bedeutenden Adligen Kaspar von Hallwyl wie Nichte des Konstanzer Bischofs Hugo von Hohenlandenberg. Gestützt wohl gleichermassen auf seine Fachkenntnisse wie auf seine Verwandtschaft, trat Hans von Hinwil in die Dienste des Kirchenfürsten und übernahm bis zum Tod seines Gönners Anfang 1532 verschiedene Verwaltungsaufgaben - eine «persönliche» Dimension adliger Herrschaft, die interessanterweise im Familienbuch keine Erwähnung fand. Diese Karriere brachte ihn in Kontakt mit massgeblichen Leuten und mit einer bischöflichen Hofkultur, die der repräsentativen, auf den Fürsten und seine Wohltaten bezogenen «Erinnerung» sowie der Wertschätzung von Dynastie und Familie grosses Gewicht beimass. Mit der Teilung der Herrschaft 1531 durch den Vater Jörg kam Hans von Hinwil in den Besitz von Elgg, während sein Bruder Veit-Anton Humprechtsried übernahm. Bevor Hans 1542 in den Dienst des Abtes von St. Gallen trat und am 10. April 1544 in St. Gallen starb, stellte er auf der Grundlage seiner administrativen Erfahrungen die Strukturen der Gerichtsherrschaft Elgg auf ein neues, zeitgemässes Fundament. Ihm verdanken wir aus dieser Zeit eine Öffnung, ein Gesetzbuch und die Anfänge eines Einkünfteverzeichnisses, auf ihn gehen auch die Beilegung von Grenzstreitigkeiten oder die Förderung des kleinstädtischen Marktes zurück. Das Verzeichnis der rechtlichen Grundlagen der Herrschaft Elgg von 1535 beginnt darüber hinaus mit einem historischen Abriss der Geschichte von Elgg, der bis zum St. Galler Mönch Notker zurückführt und zahlreiche Informationen zur Familie von Hinwil enthält, die dann auch im Familienbuch Eingang fanden. Das Interesse an der Historie ging Hand in Hand mit einer soliden Ausbildung, humanistischen Kontakten und der Laufbahn als «Beamter» mit grosser Erfahrung in der Verwaltung. Gleichzeitig sorgte die standesgemässe Verwandtschaft für ein breit abgestütztes Beziehungsnetz bis weit in den süddeutschen Raum hinein. So brachte Hans von Hinwil 1541 stellvertretend für die mit ihm verwandte Äbtissin der schwäbischen Zisterze Wald am Reichstag in Regensburg eine Supplik vor und hielt seine Erinnerungen an diese Reise als Tagebuch fest. Schriftstücke in Form von Verwaltungsbüchern, Chroniken und Familienerinnerungen prägten und begleiteten das Leben des gebildeten Adligen, dessen Vorlieben innerhalb des traditionellen Adels eher ungewöhnlich, aber auf keinen Fall einzigartig waren und für die Niederschrift des Familienbuches mitverantwortlich sind.

      Familiengeschichte oder Familiengeschichten?

      Das Interesse an der Vergangenheit und insbesondere an der eigenen Geschichte scheint Hans von Hinwil motiviert zu haben, sein Wissen in einem Buch zu versammeln. Weil die Menschen aus der alten Geschichte und der Historie, aber auch aus der Erfahrung lernen würden und damit seinen Nachkommen «etwas von iren Altfordern in Wüssen bleibe», so der Junker, habe er diese Informationen zusammengetragen. Seine humanistische Ausbildung bestimmte sein Vorgehen, stützte er sich doch, wie er eingangs ausdrücklich festhält, auf schriftliche Quellen wie Heiratsverträge und Jahrzeitbücher sowie auf die mündlichen Erinnerungen seines 78-jährigen Vaters Jörg von Hinwil. Als zusätzlichen Beleg hielt er verschiedene Briefe und Urkunden im Wortlaut fest. Der legitimatorische Verweis auf das Vorgehen soll allerdings nicht zum Nennwert genommen werden. Trotz der Betonung der «beweisslichen» Ahnenkunde reicht das gesicherte Wissen des adligen Forschers nicht mehr als drei Generationen zurück, nämlich bis zum Urgross- vater Herdegen, der 1442 die Herrschaft Elgg erwarb. Vor diesem Zeitpunkt vermischen sich die genaueren Zuordnungen zu einzelnen Personen und fehlen einzelne Familienangehörige völlig, was angesichts der lückenhaften Überlieferung ausserhalb des Stammsitzes Elgg und angesichts des Aussterbens eines Zweiges des Geschlechts nicht ganz überrascht. So verwechselt Hans von Hinwil etwa zwei gleichnamige Vorfahren und «überspringt» aus diesem Grund zwei Generationen: Gemäss dem Familienbuch heiratete der vor 1387 verstorbene Friedrich in zweiter Ehe Beatrix von Wilberg; diese war jedoch in Tat und Wahrheit die Ehefrau eines Friedrich von Hinwil, der als Urenkel des ersten Friedrich vor 1448 starb.
      Dass es im Familienbuch nicht allein um eine Rekonstruktion des - genealogischen - Herkommens der Herren von Hinwil geht, macht zudem die bereits erwähnte Zweiteilung deutlich. Der erzählende einleitende Teil betont die Bedeutung der Familie, während der zweite, heraldische Teil die einzelnen Vorfahren mit ihren Ehepartnern auflistet, bis hin zu den Kindern von Hans von Hinwil. Unter die Wappen eingefügte Notizen, die möglicherweise nicht zum ursprünglichen Konzept des Buches gehören, verweisen selektiv auf die wichtigsten «Taten», auf Heiratsbeziehungen, auf Kinder sowie auf Grablege und Jahrzeitstiftungen. Die Abfolge der Wappen ist nicht durchgehend chronologisch, sondern folgt den beiden Hauptzweigen der Familie. Beide Abschnitte haben vordergründig nichts miteinander zu tun und erzählen auch keine kohärente, autobiografisch motivierte Familiengeschichte wie bei städtischen Hausbüchern. Sie bilden aber insofern eine Einheit, als sie sowohl über familiäre Allianzen wie über historische Notizen den adligen Rang der Familie in die Vergangenheit zurückführen und damit eine besondere Tradition schaffen, wenn auch deutlich zurückhaltender als zum Beispiel das Familienbuch der Herren von Eptingen, welches das Geschlecht in der Römerzeit wurzeln lässt.
      Von besonderem Interesse ist die Einleitung, die nicht nur das Buch an sich rechtfertigt, sondern ausführlicher auf die Geschichte im allgemeinen und auf das Herkommen der Familie eingeht und dabei die Hintergründe des Werkes verständlicher macht. Zwei Leitthemen bestimmen die Ausführungen, einerseits die Sorge um Rang und Ansehen der Familie vor dem Hintergrund eines Bedeutungsverlustes der «guetten alten Adelsgeschlecht», andererseits die angeblich verheerenden Auswirkungen einer allzu engen Anlehnung der Hinwiler an das Haus Habsburg-Österreich. So erinnert Hans von Hinwil ausdrücklich an den Pfandcharakter seiner Herrschaft Elgg, die angeblich bereits 1336 von den Fürsten von Österreich an die Herren von Hinwil verpfändet worden sei. Nach den generellen Ausführungen über Adel und Sinn und Zweck des Familienbuches kommt Hans von Hinwil rasch auf das adlige Beziehungsnetz zu sprechen und fügt dabei jeweils Urkunden in Wortlaut ein. Die Grafen von Toggenburg hätten ihre «Nachbarn» zu Hinwil als «guot Edelleut geachtet», später standen die Herren von Hinwil im Dienste der Grafen von Habs- burg-Faufenburg, ehe sie dem Haus Habsburg-Öster- reich «treüwlich und wol gedient haben». Sie besassen habsburgische Pfänder, waren Burgmannen und Burgvögte in Rapperswil sowie Fandeshauptleute in Glarus, hätten als treue Diener ihres Herren verschiedene Burgen und Herrschaftsrechte verloren und seien «umb viel Feib, Fand und Feüth khommen». Angeblich mit anderen Adligen Garanten eines nicht ratifizierten habsburgischen Friedensvertrages mit den «Schweitzern», hätten sie schliesslich die nicht nur für niederadlige Verhältnisse horrende Summe von 60'000 Gulden einschiessen müssen, ohne dafür je von Habsburg entschädigt worden zu sein. Dieses Geld «statt noch heüt bei Tag onvergolten auß», fügt Hans von Hinwil ausdrücklich an.
      Diesen Aussagen muss allerdings mit Vorsicht begegnet werden: Um 1540 lebte Hans von Hinwil als nicht ganz unbedeutender Gerichtsherr von Elgg sicher nicht als «Verlierer der Geschichte» in armseligen Verhältnissen. Seine Familie kann zudem im 14. Jahrhundert kaum - wie die Fandenberg oder Hallwyl - zum glanzvollen Ritteradel gezählt werden. Schliesslich ist auch von einem habsburgischen Friedensvertrag nichts bekannt, der dann gemäss Hans von Hinwil beim Brand von Schloss Uster spurlos verschwunden sein soll. Auch die Erwähnung, dass der alte Herdegen von Hinwil 1388 in der Schlacht von Näfels als Fandeshauptmann mitsamt sieben weiteren Familienangehörigen ums Feben kann, scheint eine Behauptung. Als habsburgische Amtleute sind die Herren von Hinwil nie belegt; überliefert ist allein für die Zeit vor 1360 die mit einem Zins aus Glarus verbundene Stellung Friedrichs als Burgmann in Rapperswil. Einzig in Zusammenhang mit dem Nachlass von Hermann von Fandenberg-Greifensee taucht Friedrich von Hinwil um 1370 als Mitglied eines Adelskonsortiums auf, welches das überschuldete Erbe mit grösseren Summen Geld zuhanden der habsburgischen Fandesherrschaft ablöst - ohne dass sich dabei aber die habsburgische Fandesherrschaft als säumige Schuldnerin festmachen lassen würde. Die Argumentation des adligen Schreibers darf deshalb nicht zum Nennwert genommen werden. Im Unterschied zu anderen regionalen Adelsfamilien finden sich kaum Belege für einen «Niedergang» der Herren von Hinwil und auf eine entsprechende Verantwortung der habsburgischen Fandesherrschaft. Griff Hans von Hinwil auf ihm bekannte Chroniken wie zum Beispiel jene von Heinrich Brennwald zurück, der einleitend und mit Blick auf die antihabsburgische eidgenössische «Freiheitsgeschichte» das Verschwinden des Adels thematisierte?

      Warum ein Familienbuch?

      Bemerkenswert ist nicht allein die (Über-)Betonung Habsburgs, bemerkenswert sind überhaupt die Gewichtungen im Familienbuch, das der Person des Autors kaum ein eigenes Profil zuweist, das die mit der Glaubensspaltung und dem eidgenössischen Einfluss nicht ganz unproblematische Gegenwart der Adelsfamilie grosszügig ausklammert und das auch den einzelnen Familienangehörigen
      letztlich wenig Platz einräumt. Kann die Klage über Habsburg-Österreich aus heutiger Sicht kaum nachvollzogen werden, so bleibt auch unklar, welches denn die Verdienste des Geschlechts sind und was den (gemeinschaftlichen?) Charakter der Familie ausmacht.
      Das Aneinanderreihen von (Allianz-)Wappen demonstriert zweifellos das Alter und die breite Abstützung des Geschlechts - und hier muss wohl der Grund für die genealogische Arbeit des adligen Gelehrten gesucht werden. Dieser begründete sein Vorgehen mit dem Weitergeben von Wissen an die Nachkommen und unterlegte dieses Ziel mit einer ständischen Argumentation: Adlige würden «in grosser Würde und hocher Eer gehalten», mittlerweile seien aber zahlreiche traditionsreiche Geschlechter verschwunden oder würden sich durch «ungemässe Heyrath unverdunklend, ia schier zue Burgern verclainern und vermindern». Die Wahrung des Standes und die Angst vor der Verbürgerlichung des Adels scheinen Hans von Hinwil gleichermassen vor Augen gestanden sein, als er sein Buch schrieb. Was er genau unter unstandesgemässer Heirat verstand, ist allerdings eine andere Frage, waren doch die Herren von Hinwil seit dem 15. Jahrhundert mit der städtische Elite in Zürich (Stagel, Meiss, Meyer von Knonau, Schwarzmurer, Rohrdorf) und Luzern (Hertenstein, Segesser von Brunegg) verschwägert und wählten auch einige Kinder von Hans städtische Ehepartner. Die Schwester von Hans, Appolonia, war mit Leodegar von Hertenstein, Sohn des einflussreichen Luzerner Schultheissen, verheiratet.
      Die Grenzen zwischen «altem» und «neuem» Adel verliefen in der Ostschweiz fliessend und trafen vielleicht gerade deshalb Hans von Hinwil an einem wunden Punkt. Wohl in Zusammenhang mit dem Familienbuch entstand eine Art Ahnenprobe, welche die 16 adligen Vorfahren von Hans und von seiner Frau Beatrix von Hohenlandenberg aufzeigt und dabei die heiklen städtischen Eheverbindungen sorgfältig auszuklammern scheint. Wie im Familienbuch fehlen hier Zwischenglieder und werden einzelne Generationen übergangen, ob mit Absicht oder aus Unkenntnis, sei dahingestellt. Zu diesem «Stammbaum» passen die ersten, prestigeträchtigen Wappen im Familienbuch, welche Heinrich und Johann repräsentieren, die als Ordensmeister in Rhodos und als Abt der Reichenau in der Mitte des 15. Jh. eine für die Familie ungewöhnliche Karriere machten. In das ständische Umfeld passt aber auch ein Eintrag zum Vater von Hans, Jörg von Hinwil, bezeichnenderweise eingefügt beim Wappen von Hans, der anmerkt, er schreibe hier einen Brief ab, damit seine Kinder «ire Eltern und Anen wissenn ...». Angeblich forderte Herdegen von Hinwil seinen Sohn Jörg auf, an einem Turnier in Ansbach (wohl 1485) teilzunehmen, und schickte ihm neben einem Hengst auch die stattliche Summe von 100 Gulden. Gleichzeitig soll er ihm eine Ahnenprobe mit den jeweils vier adligen Vorfahren von Vater und Mutter beigelegt haben. Dieses Dokument hielt Hans von Hinwil für so überlieferungswürdig, dass er den Brief säuberlich in das Familienbuch übertrug, was uns zur Frage zurückführt, welche Ziele Hans von Hinwil mit seiner Arbeit verfolgte.
      Im Hinwiler Familienbuch und in der Ahnenprobe überlagern sich Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, und es wird die Absicht des Junkers Hans von Hinwil deutlich, in einer Zeit des Umbruchs Rang und Namen seines Geschlechts festzuhalten. Damit reiht er sich ein in die Politik von Adligen, gegenüber fürstlichen Territorialherren wie auch gegenüber städtischen Patriziern ihre Stellung zu verteidigen und gezielt die Familiengeschichte als Instrument der Traditionsbildung herbeizuziehen. Wie die spätmittelalterlichen Turnierbücher dienten solche Werke einer «ritterlichen Vergangenheitskonstruktion», und wie bei den mit Namensauflistungen verbundenen Darstellungen von Turnieren ging es bei Familienbüchern wie jenem der Hinwiler letztlich um den Nachweis, einem alten - und damit «echten» - Adel anzugehören.
      Die genossenschaftlich organisierten, von Turniergesellschaften getragenen Adelsturniere, wie sie durch die Turniere der Vier Lande im ausgehenden 15. Jh. repräsentiert wurden, charakterisierten sich nicht nur durch sportlichen Wettkampf und die festliche Gemeinschaft, sondern definierten und legitimierten auch Identität und Standesqualität adliger Familien. Die Turnierordnungen und beschreibungen messen der Frage der Turnierfähigkeit grosses Gewicht bei: Unstandesgemässe Heirat oder unritterliches Verhalten wurden bestraft, Teilnehmer ohne korrekten Ahnennachweis ausgeschlossen. Verlangte die Ahnenprobe bis um 1500 vier adlige Vorfahren, so weiteten sich die Anforderungen im Laufe des 16. Jh. auf 16 adlige Ahnen aus - und genau dieser Sprung lässt sich beim Hinwiler Familienbuch und der Ahnenprobe von 1541 ablesen.
      Die Herren von Hinwil waren zweifellos mit dieser Form von exklusiver Adelskultur vertraut, allerdings fehlen Belege für eine Mitgliedschaft in einer dieser spätmittelalterlichen Turnier- und Adelsgesellschaften. Ist es denkbar, dass die Familie aufgrund ihrer «bürgerlichen» Heiraten im 15. Jh. von solchen ständischen Gruppierungen ausgeschlossen blieb? Oder ist es denkbar, dass vielmehr die - aus welchen Gründen auch immer - fehlende Zugehörigkeit zum Turnieradel Hans von Hinwil zum «Familienbuch» motiviert hatte, das (geschönten) Ahnennachweis und «historische» Erläuterungen verbindet und so eine neu-alte Familientradition begründen sollte? Die einleitenden Ausführungen zum Adel, zur Bedeutung des Geschlechts und zu den Beziehungen zum Haus Habsburg sowie die ungewöhnliche Abschrift der Ahnenprobe für das Ansbacher Turnier verweisen auf jeden Fall auf das Ziel, anerkannter Teil der adligen Welt zu sein. Bereits eine Generation später allerdings starb die Familie 1588 mit dem 1540 geborenen Sohn Hans-Ulrich im Mannesstamme aus. Waren damit die Bemühungen von Hans von Hinwil um Stand und Wissen seiner Nachfahren umsonst gewesen?


  • Quellen 
    1. [S52] Eduard Rübel, Rübel-Blass, (Helene und Cécile Rübel Familienstiftung), Blatt 104.