Seedorf
Um 1200, wohl im Zusammenhang mit der Eröffnung der Schöllenen und dem Aufschwung der Gotthardstrasse als internationaler Transitroute, welche ursprünglich ihren nördlichen Ausgangspunkt in Seedorf hatte, erlebte die Ortschaft einen grossen Aufschwung. In dieser Zeit entstand der feudale Turm und wohl auch die Kirche im Unterdorf. Im Oberdorf gründete Ritter Arnold von Brienz das Kloster St. Lazarus, welches vom ritterlichen Lazariterorden bewohnt wurde, der sich der Pflege von Pilgern und Kranken annahm. Durch die Verlagerung des Verkehrs von Seedorf nach Flüelen schwand auch die Bedeutung des Ortes. Das Lazariterkloster starb 1526 aus. Eine neue Förderung ging von der Wiederbelebung des Klosters durch Benediktinerinnen im Jahre 1559 aus. Sie erweiterten die Gebäude und die Klosterkirche 1682-1724 zu einer kunstvollen Barockanlage, wo das monastische Ideal bis auf den heutigen Tag gepflegt wird.
Die am Gotthardhandel beteiligte Familie A Pro erwarb im 16. Jahrhundert in Seenähe ausgedehnten Grundbesitz, errichtete Warenniederlagen und erbaute 1556-1558 das nach ihrem Namen bezeichnete Weiherschlösschen.
Die A Pro förderten auch die Kirche, welche als Filiale von Altdorf immer noch um ihre Selbständigkeit kämpfte. 1591 erfolgte die Loslösung. Seedorf war nun eine vollwertige Pfarrei. Die Pfarrkirche St. Ulrich und St. Verena erfuhr 1690 ihre bis heute im wesentlichen gültige architektonische Umgestaltung. Die Aussstattung mit Stukkaturen und Malereien enstand in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts.
Die Korrektion der Reuss 1850-1863, die Verbauung des Balanka seit 1888 sowie die Melioration der linksseitigen Reussebene in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts schufen neues Landwirtschafts- und Siedlungsgebiet.
Während des frühen und hohen Mittelalters wanderten die deutschsprachigen Alemannen ins Urnerland ein. Sie dehnten ihren Siedlungsraum immer weiter aus. Die romanisch sprechende Urbevölkerung verschwand allmählich. Im Zuge dieser Entwicklung wurde auch Seedorf alemannisiert. Damals dürfte auch der Ortsname "Seedorf" entstanden sein. Er erklärt sich leicht aus der Lage der Siedlung an der Seebucht. Unsicher ist die Forschung hingegen, ob der Name auf alemannischen oder fränkischen Einfluss zurückgehe, oder ob er gar erst um 1200 von kleinburgundischen Adelsfamilien aus dem bernischen Seelande importiert worden sei. Aufgrund der neuesten archäologischen Untersuchungen im Bereich der Turmruine, welche Siedlungsspuren bereits für die Zeit um 1000 n. Chr. freilegten, darf jedoch angenommen werden, der Name sei schon in früh- oder mittelalterlicher Zeit entstanden. Dafür spricht auch der Umstand, dass sich während des 13. Jh. das Gebiet um das Kloster als "Oberdorf" von Seedorf abhebt, was auf die Weiterentwicklung einer älteren Siedlungsstruktur schliessen lässt. Der Name Seedorf ist erstmals im Jahre 1206 in historischen Schriften erwähnt.
Eine leuchtendes Wahrzeichen dieser barocken Epoche ist das malerische Weiherhaus im unteren Dorf. Es heisst nach der Erbauerfamilie Schloss A Pro. Das Geschlecht stammt aus Prato in der Leventina und wanderte noch im 15. Jh. in Uri ein. Durch Handelsgeschäfte über den St. Gotthard, wofür in Seedorf Susten und Ökonomiebauten errichtet wurden, und durch erfolgreiches Militärunternehmertum vor allem im Dienste der französischen Krone gelangte die Familie zu Reichtum und Ansehen. Sie wurde 1544/46 vom französischen König und vom deutschen Kaiser in den Adelsstand erhoben. Landleute von Uri seit 1513, hielten die A Pro verschiedene Ämter inne und erreichten mit Peter A Pro 1567 die Würde des Landammanns. In den Jahren 1555-1558 erbauten Jakob und Peter A Pro in der Nähe ihrer Geschäftsbauten das repräsentative Schloss als äusseres Zeichen des Familienglanzes. Der Bau wurde 1561- 1562 nach Süden erweitert und durch das turmartige Stiegenhaus ergänzt. Die hochgieblige Architektur ist der Spätgotik und frühen Renaissance verpflichtet. Die Anlage erhält durch die historisierende Befestigung mit zinnenbewehrter Umfassungsmauer und Wassergraben sowie durch den Schlossgarten einen zusätzlichen, stimmungsvollen Akzent. Im Innern sind im Erdgeschoss der Rittersaal, im ersten Stock die Prunkstube mit prächtigem Turmofen, im zweiten Stock der grüne Saal mit Dekorationsmalereien und Bildtafeln alttestamentlichen Inhalts, im Turm eine kleine Kapelle zu bewundern. Im ausgehenden 19. Jh. erhielt das Schloss aus der alten Tellskapelle am See zusätzliche, wertvolle Ausstattungsstücke: naiv-anmutige Fresken zur Urschweizer Befreiungstradition und grossflächige Darstellung der Schlachten von Morgarten und Sempach. Das Schloss A Pro wird von der Kunstwissenschaft als einer der schönsten Weiherhaussitze des 16. Jh. gewürdigt.
Bereits 1588 starb die Familie A Pro im Mannesstamme aus Noch zu Lebzeiten hatte Ritter Peter A Pro sein grosses, liegendes Vermögen als Fideikommiss bestimmt, dessen Erträgnisse für die gewerbliche Ausbildung der Urner Jugend verwendet werden sollten. Zum Stiftungsgut gehörte auch das Schloss. Weil die Fideikommissverwaltung die Unterhaltslasten nur mehr schwer zu tragen vermochten, erwarb der Kanton Uri das Baudenkmal 1959 für Repräsentations- und Ausstellungszwecke. In den Sechziger- und Achtzigerjahren wurde das Gebäude innen und aussen gründlich restauriert. Es gehört heute zu den meistbeachteten Sehenswürdigkeiten der Gemeinde. Seit dem Jahre 2009 kann man sich im Schlossrestaurant A Pro auch kulinarisch verwöhnen lassen. Im Schloss A Pro finden in verschiedenen Räumlichkeiten auch abwechslungsweise öffentlich zugängliche Ausstellungen statt.
In dem daneben liegenden Oekonomiegebäude (Sust) ist seit einigen Jahren das Urner Mineralienmuseum eingerichtet.
St. Lazarus in Seedorf ist das einzige ins Mittelalter zurückreichende Kloster des Landes Uri. Von seiner Gründung um 1200 bis zu seinem Zerfall um 1520-1530 war es eine Niederlassung des ritterlichen Lazariterordens, seit 1559 bis heute ist es ein Frauenkloster des Benediktinerordens. Das genaue Gründungsdatum steht jedoch nicht fest, sicher bezeugt aber ist der Stifter, Ritter Arnold von Brienz, den das im Archiv aufbewahrte Jahrzeitbuch von etwa 1225-1235 unter dem 25. März verzeichnet. Sein ursprünglich in der Kirche aufgehängter Ritterschild mit der Wappenfigur eines Löwen ist heute eine der grössten Kostbarkeiten des Schweizerischen Landesmuseums in Zürich. Die im 17. Jh. niedergeschriebene Entstehungslegende ist poetisch ausgeschmückt. Sie erzählt, die Gründung sei in zwei Stufen erfolgt. Ritter Arnold von Brienz habe mit seinen Gefährten auf der Rückkehr von einer Heiliglandfahrt 1097 an dieser Stelle im Wald ein Traumgesicht gehabt: Jungfrauen führten zu Ehren Mariä mit dem Kinde im schönen Garten einen Reigen auf, und die Gottesmutter bat den Ritter, diesen hier ein Haus zu Gottesdienst zu bauen. Das zugehörige Männerkloster sei erst 1184 entstanden. Der am Aussatz erkrankte König Balduin VII. von Jerusalem habe im Traum erfahren, dass er im Abendland, an einem Ort, wo sein Pferd in die Knie sinke, Heilung finden werde. Dies sei in Seedorf geschehen, wo er alsbald den Lazaritern ein Kloster errichtete. Die Lazariter, ursprünglich ein Spitalorden zur Pflege der Aussätzigen in Siechenhäusern, wurden bald auch ein Ritterorden zur Verteidigung des Heiligen Landes. Ihre Niederlassungen waren meist Doppelklöster mit Rittern und Nonnen. Seedorf wurde schon im 14. Jh. ausschliesslich ein Frauenkonvent. Auf Schweizer Boden gab es nur deren zwei, Gfenn bei Dübendorf, Kanton Zürich, und Seedorf. Die Entstehung des Seedorfer Hauses fällt bezeichnenderweise in die Zeit der Eröffnung des Gotthardpasses. Eine historische Kostbarkeit ist das 1314 in deutscher Sprache geschriebene, im Seedorfer Klosterarchiv aufbewahrte Statutenbuch, die einzige erhaltene Ordensregel. Titelheiliger von Seedorf ist der Ordenheilige St. Lazarus, das heisst der von Christus vom Tode auferweckte Bruder von Maria und Martha, von welchem die Legende berichtet, er habe später als Bischof in Marseille gewirkt.
Nachdem 1518 fünf Frauen von der Pest weggerafft waren, starb das Lazariterkloster schliesslich gegen 1530 aus. Die Urner Regierung verwaltete den zerfallenden Baukomplex. Nach einem gescheiterten Versuch von 1542 wurde das Kloster 1559 mit Benediktinerinnen aus dem Konvent von Claro bei Bellinzona neu besiedelt. Ein obrigkeitlicher Klostervogt vertrat die rechtlich-wirtschaftlichen Interessen des Klosters, in geistlichen Dingen war es zuerst dem Konstanzer Bischof, dann den Stiften Einsiedeln und Muri, ab 1642 bis heute Einsiedeln vertraut.
Baugeschichte. Für 1254 ist eine Neuweihe der Kirche bezeugt. Um 1581 wurde am Kloster gebaut; die eidgenössischen Stände stifteten Scheiben. 1640 bekam es eine Ummauerung. Von 1682-1686 entstand unter der Leitung des baufreudigen Bürgler Pfarrers Joh. Jak. Scolar der Neubau des Klosters, 1695/96 der Bau der Kirche, die 1697 ausgemalt und 1700 geweiht wurde. Erweiterungen der Klostergebäude erfolgten 1721. Werkmeister von 1682-1686 waren ANTON und JOSEF BURTSCHER, wahrscheinlich Vorarlberger, der einheimische MELCHIOR GISLER und dann JOSEPH LOMAZ mit seinen "welschen Murern", also Tessiner oder Oberitaliener. Als künstlerischer Entwerfer und Berater kommt nur der Einsiedler Klosterarchitekt Bruder CASPAR MOOSBRUGGER in Frage. Das wird indirekt bezeugt, wenn es zur Grundsteinlegung der Kirche 1695 durch den Einsiedler Abt heisst: "...nach dessen Geist auch der ganze Bauriss ist". In Mossbruggers Plannachlass finden sich entsprechende Projekte, zudem sind mehrfach Reisen nach Seedorf belegt, und schliesslich spricht auch der Stil der Anlage von Kloster und Kirche ganz für ihn. Akten zur Stuckierung, Ausmalung und für die Altäre fehlen, nur der Name des Orgelbauers JOSEPH BOSSERT in Baar ist überliefert. Den Kirchenbau finanzierte eine Stiftung des Pfarrhelfers Kaspar Barmettler in Beckenried.
Die unglücklichen Eingriffe einer Kirchenrenovation von 1854 wurden anlässlich der unter Äbtissin Gertrudis Käslin 1966 von Architekt JOSEF STEINER mit Beratung der eidgenössischen Experten durchgeführten Restaurierung so weit wie möglich wieder rückgängig gemacht, wobei insbesondere die alte Ausmalung freigelegt wurde. Das Klostergebäude war seit 1953 in Etappen renoviert worden.
Seedorf liegt am Ostfuss des Gitschen im unteren Teil des Urner Reusstals am Südufer des Urnersees (einem Arm des Vierwaldstättersees). Im Südwesten des Gemeindegebiets liegt das Gitschital, das vom Palanggenbach entwässert wird.
5,4 % der Gemeinde sind Siedlungsfläche. Auch die Landwirtschaftsfläche ist mit einem Anteil von 19,2 % bescheiden. Der Grossteil des Gemeindeareals ist von Wald und Gehölz bedeckt (40,6 %) oder unproduktives Gebiet (Gewässer und Gebirge; 34,8 %).
Seedorf grenzt im Norden an den Vierwaldstättersee, im Nordosten im Flussbett der Reuss an Flüelen, im Osten an Altdorf, im Süden an Attinghausen und im Westen an Isenthal.
In Blau zwei schräggekreuzte weisse Hechte mit gelben Flossen.
Das Wappen wurde möglicherweise 1852 bei der Anschaffung einer Dorfpetschaft festgesetzt. Es ist bereits 1895 durch eine Glasscheibe im Schloss A Pro überliefert. Die Lage am See und die Fischerei mögen formgebend gewesen sein. Das Wappen weist auch auf den Kirchenpatron St. Ulrich hin, dessen Attribut ein Fisch ist.
Text "Seedorf" und "Wappen" aus: "Die Urschweiz und ihre Wappen" Seite 42/43, Hans Stadler-Planzer, Verlag Ketty & Alexandre, ISBN 2-88114-011-4
Text "Geographie" und Fotos aus: https://de.wikipedia.org/wiki/Seedorf_UR
Alle anderen Texte aus: http://www.seedorf-uri.ch/de
Manfred Stammler, 9 Apr 2018 / 21. Jul 2019 / 3 Mrz 2020
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